"Das Leben ist ein
alter Holzschrank.
Durch ätzende Lauge
erlangt er Gestalt;
Antiquitäten sind das Abbild von morgen."
von Michael Arndt
Lyrik
Die Sensiblen
sitzen in ihren Häusern
verstecken ich
erzählen Blau des
Himmels
ewig grau
verleugnen Sonnen
die eh nichts sehn
erschreckte
Seismographen
hören keine Glocken
glauben nicht wie
Menschen
filtern nicht die
Sprachen
Widersprachlosspruch ist Pest!
der Stangen frisst
auf denen sie
hocken
DIESE UNGEWISSEN
RÄUME!
ich bin der schnee
und werd zum schimmel
und der zum schlächter meiner fragen
und die zur aufgebahrten angst
die meine stange ist
ich bin -
Die Sensiblen
sitzen in Irrenhäusern
von Michael Arndt

über den Stolz
von Michael Arndt
Der Besenstiel im Kreuz,
das Kinn sehr spitz
mit Augenbrauen gleich
Triumphbögen, schmuck,
mit hohem Blicke
und siegreicher Fahne!
Was für ein Kerl ich doch bin!
Wie sagenhaft toll!
Nicht 'mal die Schultern fallen
vom Draufklopfen ein.
- nur manchmal,
wenn der Blick zu hoch,
wenn ich schwebe,
falle ich
heimlich.

Wahnvorstellung oder Kinderlosigkeit
von Michael Arndt
Komm!
Lass uns Kinder kaufen gehn.
Du ein rotes!
Ich will ein gelbes!
Nein! - Mit schwarzem Haar!
Und großem Mund!
Ein Negerkind ist doch mein Wunsch!
Nur nicht zu alt!
Und erst ab drei!
Da sind sie noch ganz brav!
Aus dem Gröbsten schon heraus!
Komm!
Lass uns eins kaufen!
Klug und ohne Macken!
Blauäugig muss es sein!
Und Mama und Papa sagen!
Komm!
-
es wird uns nichts geschenkt
-

Prosa
Wärme
von Michael Arndt
Eingetaucht in den Morgen von Caspar David
Friedrichs WANDERER ÜBER DEM NEBELMEERE, - überlebe ich nur mühsam:
biedermeierlich.
Ruhig und eisig ziehen die rosa Gebilde vor dem
Eishimmel ab und hinterlassen keine Spuren - nur mich, der ich die Pelze enger
zieh'.
Wo ist das Rosa hin - wo das Hell der Bläue?
Die Tannen und die Birken mit der Wiese voller
Schafe stehen stoisch fest am gleichen Ort.
Die fernen Striche vom spitzen Jet(zt) haben ein
Ziel in den
Himmel geritzt - kurzzeitige Ergänzung eines
anderen Malers, der alles verändert:
Gleich großen Wolkenkähnen ziehen die Schiffe
hinter den Kahlbergen vorbei; - kein Engel als Lotse - scheint wohl eine stille
Himmelsfracht zu sein. Nicht ‘mal der Kapitän winkt oder tutet mit dem
Dampfross. Kein Matrose, auch nicht der leichteste, hisst einen neuen Wimpel und
wartet auf die Antwort.
Ein Geschiebe und ein Gedränge: Karneval der
Wolken!
Immer zieht ein neuer Wagen mit duftigen
Gebilden vorbei - aber keine Kamelle, kein Helau schallt herüber:
Jetzt gleitet ein Riesenfisch mit geöffnetem
Singvogelmaul heran, sein Schwanz ist nicht abzusehen. Dahinter kreucht der
Lindwurm vor, gezackt und rosafarben-gräulich. Erst dann folgt das sinnige
Einhorn. Mit himmlischer Ruhe schreitet es durch leergefegte Buchenwälder auf
der Suche nach einer nahrhaften Lichtung.
Meine Bewunderung für das stolze Ross, jäh
stürzt sie ab, und ich schaue auf: einer Amöbe gleich mutiert das Horn zum
aufgeballtem Zyklon; ein Zyklop mit riesenhafter Stirn und dem blauen Auge, das
sich öffnet und langsam wieder schließt, als wollte er mir zublinzeln,
unbeholfen.
Soll ich etwa mit ihm kommen - mich einreihen in
den Reigen, ohne recht zu wissen, in welcher Gestalt, wohin des Wegs?
Das Rosa wächst und überflutet unsere Luft,
zieht Kälte nach; Kaltatem lässt mich dampfen. -
Meine Herde erhebt die Augen mit
sehnsuchtsvollem Blöken den Wolkenschafen zugewandt.
Da schmelzen die Schafe zusammen und strömen im
ruhigen Treiben. Der Zyklop - er winkt mir zu und folgt mit wachem Auge ins Blau
gen Osten.
Hungrig bewegen ihre Mäuler die Tannenwipfel
sanft und ziehen mit dicken Bäuchen fort. Ich aber bleibe und die Hunde sind
sprachlos.
Die Sonne saugt die Wolken. Unbeirrbar folgen
sie dem Ruf der frühen Stunde. Den Fluss des Tages kann ich nicht aufhalten,
nicht einmal ein paar Wirbel und Ableitungen, noch andere Muster und
Spiegelungen machen, wenn meine Finger oder sogar die ganze Hand in den Himmel
tauchen. -
Schöss ich einen Pfeil nach oben, er würde
gleichmäßig mit den Wolken ziehen und gar den Morgen treffen.
Da tau' und wach' ich auf im kalten
Sonnenlichte. - Endlich!
Ja, endlich sind die Arme lang genug und reichen
das Licht übern Berg zu mir ins Tal.
Ich schüttle meine Pelze und plustre mich wie
schwarze Vögel in meine Wärme.
Steif geh' ich ruhigen Schrittes; - der Bart
bricht eisig; - pfeife meine Hunde nach dem Rechten; - die Herde folgt mit
Schritt und Tritt der Wärme zu.

Selbst sind die Gedanken - oder
auch biblisch:
Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.
von
Michael Arndt
Das ist blöde, das mit der Zeit!
Ich will hier gar nichts!
Auch nicht die Stunden -
und Tage ausdrücken.
PRESSZEITALTER
STRESSZEITALTER
...und die Tage rücken voran.
Was sind schon Stunden?
- mehr oder weniger -
Eine Qual oder?
Die Suche nach? - Na was denn ?!
Time is money.
More money? –
Uh!
A
battlefield of time!
Isn’t it?
We cannot hold of…
und -
das Liebste?
Wir decken es zu
mit der
Zeit, -
drängen, -
bis es vom Kanapee unbemerkt
herunterfällt.
Die Zeit! Nicht
totzukriegen!
Nur die Liebe!
24 Stunden
Pah!
Dass ich nicht lache!
Ich hab immer noch ein Ass im Ärmel,
eine Überstunde,
plausible Erklärungen und –
Und?
Wenn ich nicht mehr kann? -
Die Zeit ist schuld!
Die Kur hilft nicht!
Die Frau ist weg und
die Kinder kennen einen nicht! –
Dann wachsen Müdigkeiten.
Wasser und Aussichtstürme werden begehrliche Bräute!
Komisch!
Bei uns in der
Straße scheint sogar nachts die Sonne!
"1 X
Sonne 5 Euro"
lockt das
Sonnenstudio.
Warum hat wohl die
Apotheke an der Ecke Tag und Nacht geöffnet?
Ist die Zeit denn so verletzlich?
Vierundzwanzig
Stunden zählen nicht!
Nur das Gelingen
des Tricks am Trapez!
Nur die Pointe des
Clowns"
Hast du schon
einmal einen Tag lang gegraben?
Wie weit bist du zu dir vorgedrungen?
Wo ist die Pointe?
Sind wir denn die Clowns? -
Die Wahrheit regt sich zwischen deinen Socken
und ihren geschäftigen Schenkeln. -
Im Stundenhotel gibt Mann sich die Klinke
oder auch sonst was in die Hand.
Die 50 Euro-Freier sind alle ehrlich!
Die Gesinnung geht auf den Strich.
Und die Ehrlichkeit?
Die Ehrlichkeit selten nach Hause.
Stunden fangen irgendwann einmal an.
Hören sie auch auf?
Sind sie schön und verändern ihre Farbe?
Vom Gelb zum Blau? -
Wie schmeckt die 23ste Stunde? -
Ja, und die dritte? -
Säure oder Katzenfell? -
Haben Stunden Namen und zärtliche Bäuche?
Besitzt du eine Lieblingsstunde? - peut-être
- l’heure d’amoureux?
Es wird sein, gewiss,
dass mir einmal die Stunde um die Ohren schlägt!
Doch nur zwischendrin: 23 Uhr 69 -
Vierundzwanzig Mal das Stundenglas gedreht!
Und?
Ist es wirklich gelungen
inmitten eines vollen Tages
näher zu kommen? –
,,24 Stunden Service"
leuchtet ein
Schild.
Ein Schlüsseldienst
bietet Tag und Nacht seine Hilfen an.

Horizont von Michael Arndt
Ich kenn‘ einen Mann, der, wenn er erwacht,
nur einen fernen Horizont im Auge hat – ganz schmal, weit und hell.
Egal wohin er schaut: Überall nur Horizont,
- nur Weite. –
Sieht er seiner Frau in die Augen: Nur
Horizont.
Liest er Zeitung: Nur Horizont, der ihm den
Blick auf das Wirkliche, auf das Tagesgeschehen verstellt.
Diesen Balken im Auge: Er wird ihn nicht
los!
Alle Möglichkeiten hatte er schon
ausgeschöpft: Vom Augenreiben bis hin zur Sonnenbrille, vom Arzt die
Augentropfen, vom Tai Chi bis zur Schlaftablette. All das hatte er schon
probiert. – Er versuchte sogar seinen Horizont mit Wein und Bier zu überfluten!
– Nichts! Aber auch gar nichts half! – Schnellste Ernüchterung ereilte ihn, als
mehrere Horizonte ihn quälten.
Wenn er doch wenigstens am Horizont etwas
erkennen würde, so zu sagen als eine Art Vorausschauer, ein Seher mit dem
Lächeln der Auguren bekleidet, ein In-die-Zukunft-gucker! -
Eine Profession täte sich auf.
Erst als ein guter Freund ihm riet diesen
fernen Horizont zu erreichen, dort hin zu gehen, da erst, begriff er –,
…weinte ein Meer,
umarmte sein Weib, schlief tief,
ganz tief und erwachte:
Wünschte einen guten Morgen,
wusch und putzte sich die Zähne,
zog sich an,
machte Kaffee, währenddessen die Brötchen im
Herd aufgebacken wurden,
rief seine Frau zum Frühstück,
reichte ihr die Marmelade,
schaute sie froh und lächelnd an, -
wohlwissend,
das hinter ihr
die Horizonte leuchten.
Ausschnitt aus dem Roman "Die Primadonna und der
Fleischerbursche" oder Vae Victis! von Michael Arndt, 300 Seiten.
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