"Das Leben ist ein alter Holzschrank.
Durch ätzende Lauge erlangt er Gestalt;
Antiquitäten sind das Abbild von morgen."
von
Michael Arndt
Lyrik
Wasser und Wein - für "Gabrielle" -
Der Rebenstock hat lange Arme
unten im Dunkeln und oben im Licht.
Will er Früchte tragen.
Ohne Wasser gibt’s sie nicht.
Quell und Bach, Wolken, der Regen
Unten im Dunkeln und oben im Licht,
müssen sich wandeln,
der köstlichen Früchte wegen.
Gieße Wasser in den Wein
Dehnt der Sinn die Stunden
Tageslicht und Mondenschein
Alles bleibt verbunden.
Eins im Ganzen - unzertrennlich
Scheidet niemand Wasser Wein
Sonn‘ und Mond. Weiblich, männlich
ewig bleibt in mir dein Sein.
von
Michael Arndt
über den
Stolz
von Michael Arndt
Der Besenstiel im Kreuz,
das Kinn sehr spitz
mit Augenbrauen gleich
Triumphbögen, schmuck,
mit hohem Blicke
und siegreicher Fahne!
Was für ein Kerl ich doch
bin!
Wie sagenhaft toll!
Nicht 'mal die Schultern
fallen
vom Draufklopfen
ein.
- nur manchmal,
wenn der Blick zu hoch,
wenn ich schwebe,
falle ich
heimlich.
Wahnvorstellung oder
Kinderlosigkeit
von Michael Arndt
Komm!
Lass uns Kinder kaufen
gehn.
Du ein rotes!
Ich will ein gelbes!
Nein! - Mit schwarzem
Haar!
Und großem Mund!
Ein Negerkind ist doch
mein Wunsch!
Nur nicht zu alt!
Und erst ab drei!
Da sind sie noch ganz
brav!
Aus dem Gröbsten schon
heraus!
Komm!
Lass uns eins kaufen!
Klug und ohne Macken!
Blauäugig muss es sein!
Und Mama und Papa sagen!
Komm!
-
es
wird uns nichts geschenkt
-
Prosa
Wärme
von Michael Arndt
Eingetaucht in den Morgen
von Caspar David Friedrichs WANDERER ÜBER DEM
NEBELMEERE, - überlebe ich nur mühsam: biedermeierlich.
Ruhig und eisig ziehen die
rosa Gebilde vor dem Eishimmel ab und hinterlassen keine
Spuren - nur mich, der ich die Pelze enger zieh'.
Wo ist das Rosa hin - wo
das Hell der Bläue?
Die Tannen und die Birken
mit der Wiese voller Schafe stehen stoisch fest am
gleichen Ort.
Die fernen Striche vom
spitzen Jet(zt) haben ein Ziel in den
Himmel geritzt -
kurzzeitige Ergänzung eines anderen Malers, der alles
verändert:
Gleich großen Wolkenkähnen
ziehen die Schiffe hinter den Kahlbergen vorbei; - kein
Engel als Lotse - scheint wohl eine stille Himmelsfracht
zu sein. Nicht ‘mal der Kapitän winkt oder tutet mit dem
Dampfross. Kein Matrose, auch nicht der leichteste,
hisst einen neuen Wimpel und wartet auf die Antwort.
Ein Geschiebe und ein
Gedränge: Karneval der Wolken!
Immer zieht ein neuer
Wagen mit duftigen Gebilden vorbei - aber keine Kamelle,
kein Helau schallt herüber:
Jetzt gleitet ein
Riesenfisch mit geöffnetem Singvogelmaul heran, sein
Schwanz ist nicht abzusehen. Dahinter kreucht der
Lindwurm vor, gezackt und rosafarben-gräulich. Erst dann
folgt das sinnige Einhorn. Mit himmlischer Ruhe
schreitet es durch leergefegte Buchenwälder auf der
Suche nach einer nahrhaften Lichtung.
Meine Bewunderung für das
stolze Ross, jäh stürzt sie ab, und ich schaue auf:
einer Amöbe gleich mutiert das Horn zum aufgeballtem
Zyklon; ein Zyklop mit riesenhafter Stirn und dem blauen
Auge, das sich öffnet und langsam wieder schließt, als
wollte er mir zublinzeln, unbeholfen.
Soll ich etwa mit ihm
kommen - mich einreihen in den Reigen, ohne recht zu
wissen, in welcher Gestalt, wohin des Wegs?
Das Rosa wächst und
überflutet unsere Luft, zieht Kälte nach; Kaltatem lässt
mich dampfen. -
Meine Herde erhebt die
Augen mit sehnsuchtsvollem Blöken den Wolkenschafen
zugewandt.
Da schmelzen die Schafe
zusammen und strömen im ruhigen Treiben. Der Zyklop - er
winkt mir zu und folgt mit wachem Auge ins Blau gen
Osten.
Hungrig bewegen ihre
Mäuler die Tannenwipfel sanft und ziehen mit dicken
Bäuchen fort. Ich aber bleibe und die Hunde sind
sprachlos.
Die Sonne saugt die
Wolken. Unbeirrbar folgen sie dem Ruf der frühen Stunde.
Den Fluss des Tages kann ich nicht aufhalten, nicht
einmal ein paar Wirbel und Ableitungen, noch andere
Muster und Spiegelungen machen, wenn meine Finger oder
sogar die ganze Hand in den Himmel tauchen. -
Schöss ich einen Pfeil
nach oben, er würde gleichmäßig mit den Wolken ziehen
und gar den Morgen treffen.
Da tau' und wach' ich auf
im kalten Sonnenlichte. - Endlich!
Ja, endlich sind die Arme
lang genug und reichen das Licht übern Berg zu mir ins
Tal.
Ich schüttle meine Pelze
und plustre mich wie schwarze Vögel in meine Wärme.
Steif geh' ich ruhigen
Schrittes; - der Bart bricht eisig; - pfeife meine Hunde
nach dem Rechten; - die Herde folgt mit Schritt und
Tritt der Wärme zu.
Selbst sind die Gedanken - oder
auch biblisch:
Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.
von
Michael Arndt
Das ist blöde, das mit der Zeit!
Ich will hier gar nichts!
Auch nicht die Stunden -
und Tage ausdrücken.
PRESSZEITALTER
STRESSZEITALTER
...und die Tage rücken voran.
Was sind schon Stunden?
- mehr oder weniger -
Eine Qual oder?
Die Suche nach? - Na was denn ?!
Time is money.
More money? –
Uh!
A
battlefield of time!
Isn’t it?
We cannot hold of…
und -
das Liebste?
Wir decken es zu
mit
der Zeit, -
drängen, -
bis es vom Kanapee unbemerkt
herunterfällt.
Die Zeit! Nicht
totzukriegen!
Nur die Liebe!
24 Stunden
Pah!
Dass ich nicht lache!
Ich hab immer noch ein Ass im Ärmel,
eine Überstunde,
plausible Erklärungen und –
Und?
Wenn ich nicht mehr kann? -
Die Zeit ist schuld!
Die Kur hilft nicht!
Die Frau ist weg und
die Kinder kennen einen nicht! –
Dann wachsen Müdigkeiten.
Wasser und Aussichtstürme werden begehrliche Bräute!
Komisch!
Bei uns in der
Straße scheint sogar nachts die Sonne!
"1
X
Sonne 5 Euro"
lockt das
Sonnenstudio.
Warum hat wohl die
Apotheke an der Ecke Tag und Nacht geöffnet?
Ist die Zeit denn so verletzlich?
Vierundzwanzig
Stunden zählen nicht!
Nur
das Gelingen des Tricks am Trapez!
Nur
die Pointe des Clowns"
Hast
du schon einmal einen Tag lang gegraben?
Wie weit bist du zu dir vorgedrungen?
Wo ist die Pointe?
Sind wir denn die Clowns? -
Die Wahrheit regt sich zwischen deinen Socken
und ihren geschäftigen Schenkeln. -
Im Stundenhotel gibt Mann sich die Klinke
oder auch sonst was in die Hand.
Die 50 Euro-Freier sind alle ehrlich!
Die Gesinnung geht auf den Strich.
Und die Ehrlichkeit?
Die Ehrlichkeit selten nach Hause.
Stunden fangen irgendwann einmal an.
Hören sie auch auf?
Sind sie schön und verändern ihre Farbe?
Vom Gelb zum Blau? -
Wie schmeckt die 23ste Stunde? -
Ja, und die dritte? -
Säure oder Katzenfell? -
Haben Stunden Namen und zärtliche Bäuche?
Besitzt du eine Lieblingsstunde? - peut-être
- l’heure d’amoureux?
Es wird sein, gewiss,
dass mir einmal die Stunde um die Ohren schlägt!
Doch nur zwischendrin: 23 Uhr 69 -
Vierundzwanzig Mal das Stundenglas gedreht!
Und?
Ist es wirklich gelungen
inmitten eines vollen Tages
näher zu kommen? –
,,24 Stunden Service"
leuchtet ein
Schild.
Ein Schlüsseldienst
bietet Tag und Nacht seine Hilfen an.
Horizont von
Michael Arndt
Ich kenn‘ einen Mann,
der, wenn er erwacht, nur einen fernen Horizont im Auge
hat – ganz schmal, weit und hell.
Egal wohin er schaut:
Überall nur Horizont, - nur Weite. –
Sieht er seiner Frau in
die Augen: Nur Horizont.
Liest er Zeitung: Nur
Horizont, der ihm den Blick auf das Wirkliche, auf das
Tagesgeschehen verstellt.
Diesen Balken im Auge:
Er wird ihn nicht los!
Alle Möglichkeiten hatte
er schon ausgeschöpft: Vom Augenreiben bis hin zur
Sonnenbrille, vom Arzt die Augentropfen, vom Tai Chi bis
zur Schlaftablette. All das hatte er schon probiert. –
Er versuchte sogar seinen Horizont mit Wein und Bier zu
überfluten! – Nichts! Aber auch gar nichts half! –
Schnellste Ernüchterung ereilte ihn, als mehrere
Horizonte ihn quälten.
Wenn er doch wenigstens
am Horizont etwas erkennen würde, so zu sagen als eine
Art Vorausschauer, ein Seher mit dem Lächeln der Auguren
bekleidet, ein In-die-Zukunft-gucker! -
Eine Profession täte
sich auf.
Erst als ein guter
Freund ihm riet diesen fernen Horizont zu erreichen,
dort hin zu gehen, da erst, begriff er –,
…weinte ein Meer,
umarmte sein Weib,
schlief tief,
ganz tief und erwachte:
Wünschte einen guten
Morgen,
wusch und putzte sich
die Zähne,
zog sich an,
machte Kaffee,
währenddessen die Brötchen im Herd aufgebacken wurden,
rief seine Frau zum
Frühstück,
reichte ihr die
Marmelade,
schaute sie froh und
lächelnd an, -
wohlwissend,
das hinter ihr
die Horizonte leuchten.
Ausschnitt aus dem Roman
"Die Primadonna und der Fleischerbursche" oder Vae
Victis! von Michael Arndt, 300 Seiten.
HIER
als Worddatei down zu laden.
|